Prof. Dr. Burkhard Heß                                                                                                                              WS 1997/98
Übung im BGB für Fortgeschrittene
1.  Hausarbeit
A .
Alfred (A) und Berti (B) sind seit kurzem Mitglieder des TeilAuto Tübingen e.V. Der Verein verfügt über mehrere Pkw, die den Mitgliedern zur Nutzung zur Verfügung stehen. Dies ist der satzungsmäßige Vereinszweck. Von den Mitgliedern wird unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme eines TeilAutos ein monatlicher Mitgliedsbeitrag in Höhe von 15,- DM erhoben. Die Satzung des TeilAuto e.V. enthält u.a. folgende Bestimmungen:

§ 4 Mitgliedschaft
(1) Mitglied kann jede natürliche Person werden. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist die Anerkennung und Förderung des       Vereinszwecks.
(2) Wenn ein Mitglied gegen die Ziele und Interessen des Vereins schwer verstoßen hat, so kann der Vorstand mit sofortiger Wirkung den Ausschluß des Mitglieds beschließen.
(3) Die Vereinsorgane haften gegenüber den Mitgliedern nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Dasselbe gilt für die Mitglieder untereinander.

§ 5 Rechte und Pflichten der Mitglieder
(1) Jedes Mitglied ist berechtigt, innerhalb der vorhandenen Kapazitäten, die TeilAutos zu nutzen.
(2) Die Mitglieder sind verpflichtet, die Fahrzeuge vor jeder Nutzung auf äußere Mängel und Schäden zu überprüfen und diese der Geschäftsstelle zu melden. Wenn die festgestellten Mängel oder Schäden die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigen oder zu Folgeschäden am Fahrzeug führen können, darf es nicht genutzt werden. Bei Verstößen gegen diese Bestimmung kann der Vorstand gegen das Mitglied eine Geldbuße bis zur Höhe von DM 500,- verhängen.
(3) Reparaturen dürfen nur mit vorheriger Einwilligung des Vorstandes in Auftrag gegeben werden. Die Vornahme von Reparaturen durch die Mitglieder selbst ist untersagt.

§ 8 Verbandsmitgliedschaft des TeilAuto e.V.
(1) Der TeilAuto Tübingen e.V. ist Mitglied des Württembergischen Car-Sharing Verbandes.
(2) Die Überprüfung vereinsrechtlicher Entscheidungen ist dem Kontrollausschuß des Landesverbandes vorbehalten. Dieser setzt sich zusammen aus dem Vorstandsvorsitzenden des jeweils betroffenen Vereins, sowie einem Ehrenvorsitzenden und dem Rechtswart des Landesverbandes. Eine Anrufung der Zivilgerichte ist ausgeschlossen.

Jedes Mitglied kann ein Fahrzeug buchen, das dann zur vorgemerkten Zeit am Standort bereitsteht. Bei der Buchung unterschreiben die Mitglieder ein Formular mit der Überschrift: äNutzungsvertrag". Für jede Benutzung eines Fahrzeugs ist ein geringer Geldbetrag zu entrichten, der die tatsächlichen Kosten abdeckt. Nach Beendigung der Nutzungszeit ist das Fahrzeug wieder am Standort abzustellen. Weitere Regelungen enthält das Formular nicht, insofern wird auf die Satzung verwiesen. Jeder Pkw wird von ca. 12 Mitglie-dern abwechselnd genutzt, wobei A. und B. regelmäßig einen Opel Corsa buchen.

Am 14.07.1997 bucht B. den Corsa für den ganzen Tag. Als er den Wagen wieder am Standort abstellt, bemerkte er zufällig, daß dieser eine Flüssigkeit verliert. Da er das von seiner alten äEnte", die er früher besaß, gewohnt ist, schenkt er dem Umstand keine allzu große Beachtung und meldet den möglichen Defekt nicht der Geschäftsstelle des Vereins. Bei der Flüssigkeit handelt es sich um Bremsflüssigkeit, deren Austreten auf eine undichte Bremsleitung zurückzuführen ist. Der Vorstand des TeilAuto e.V. hatte eine längst überfällige Wartung nicht durchführen lassen, bei der dieser Defekt mit Sicherheit festgestellt worden wäre.

Am Morgen des 15.07.1997 hat A. den Corsa zwischen 7:00 und 9:00 Uhr gebucht, um ein kostbares Porzellanservice aus dem 18. Jahrhundert nach Stuttgart zu bringen. Das Service hatte er seiner Bank bereits einige Tage zuvor zur Sicherung eines Kredites übereignet, laut Vertrag war die Übereignung auf die Rückzahlung auflösend bedingt. Das Service soll im Depot der Bank in Stuttgart verwahrt werden, seinen Wert hatte ein Gutachter mit 10.000,- DM veranschlagt. Auf der Fahrt nimmt A. seinen Freund F. mit, den er am Stuttgarter Flughafen absetzen möchte. A. hatte sich bereit erklärt, den F. mitzunehmen, um diesem die Taxikosten zu ersparen.

Vor der Fahrt inspiziert A. pflichtbewußt das Fahrzeug. Den Flüssigkeitsverlust kann er dabei nicht mehr erkennen, da die ausgetretene Bremsflüssigkeit in dem sandigen Untergrund des Parkplatzes versickert ist. Schon nach wenigen Metern Fahrt auf der B 27 kann A. den Wagen nicht mehr abbremsen und fährt auf den Geländewagen des Konrad (K) auf, wobei nur der Corsa beschädigt wird. F. bleibt unverletzt, verpaßt aber den Flug und muß mit dem ICE für 560.- DM nach Berlin fahren. Das wertvolle Porzellansevice fliegt gegen die Frontscheibe und wird völlig zerstört.

Nach dem Unfall untersucht A. die Bremsen des Corsa und stellt fest, daß keine Bremsflüssigkeit vorhanden ist. In seiner Aufregung über den Unfall läßt er das Auto umgehend in die Werkstatt des Wüst (W) abschleppen und beauftragt ihn im Namen des TeilAuto e.V. mit der Reparatur der Unfallschäden sowie der defekten Bremsen, ohne zuvor die Geschäfts-stelle des Vereins zu informieren.

Einige Tage später ruft W. dort an, um mitzuteilen, daß der Wagen repariert sei und gegen Zahlung von DM 2400,- in seiner Werkstatt abgeholt werden könne. Der Geschäftsführer des TeilAuto e.V., Penibel (P), erklärt erstaunt, daß der Verein jede Zahlung ablehne, weil er keinen Reparaturauftrag erteilt habe. Er lasse den Wagen sofort abholen, hinsichtlich der Zahlung solle sich W. jedoch an A. halten, der ihn schließlich beauftragt habe. W. erwidert, er verweigere die Herausgabe des Pkw, solange er nicht bezahlt werde.
 

1.  Kann F. von A. und / oder dem e.V. die Erstattung seiner Fahrkarte verlangen?
2.  Hat A. gegen B. und / oder den e.V. einen Schadensersatzanspruch wegen des Porzellanservices?
3. Wer schuldet dem W. Zahlung der Reparaturkosten? Muß W. das Fahrzeug an den e.V. herausgeben?

B.
Bei seiner nächsten Sitzung berät der Vorstand des TeilAuto e.V., welche Maßnahmen ge-gen B. zu treffen sind. Alle meinen empört, daß B. in unentschuldbarer Weise gegen die Interessen des Vereins verstoßen hat. Daher fassen sie, ohne eine Stellungnahme des B. einzuholen, folgenden Beschluß:
ä1. B. wird mit sofortiger Wirkung aus dem Verein ausgeschlossen.
  2.  Es wird eine Vereinsstrafe in Höhe von DM 500,- festgesetzt."
B. hält diesen Beschluß für formell und materiell fehlerhaft und erhebt umgehend Klage vor dem zuständigen AG Tübingen. Der Vorstand des TeilAuto e.V. hält die Klageerhebung beim staatlichen Gericht für unzulässig. B. müsse den Beschluß vom Kontrollausschuß des Landesverbandes überprüfen lassen. Hat die Klage des B. Aussicht auf Erfolg?

Bearbeitungsvermerk:

Die beiden Teile der Hausarbeit und die dazu gestellten Fragen sind in der angegebenen Reihenfolge zu beantworten. Der Umfang der Ausarbeitung darf 25 DIN A 4 Seiten nicht überschreiten. Dabei ist 1/3 der Seite (rechter Seitenrand) als Korrekturrand zu lassen, die Schrifttype muß Courrier 12 pt., der Zeilenabstand 1,5 Punkte betragen.

Hinweis: Beim prozessualen Teil sind nur die wirklich problematischen Sachurteilsvoraussetzungen anzusprechen.

Abgabe: Am 20. 10. 1997 bis 12.00 Uhr s.t. am Lehrstuhl.